15. November 2013

Teil 6 - Teile vom Schrotzplatz - Schrauberglück


Suchbild mit R4 - unser Garten am Ferienhaus

Wie im letzten Teil berichtet, befanden wir uns also auf einem kleinen Ausflug und schlugen die Zeit während der Mittagspause tot. Langsam gondelten wir zurück zur Besichtigung der Ausgrabungen des Gallo-römischen Heiligtums von Grand, um die zweite Hälfte unseres Tickets einzulösen.

Schrottplatzromantik

Dann, vollkommen unerwartet, an einer Kreuzung in Liffol-le-Grand im Departement der Vogesen ein kleines Schild - ab ins kaum bebaute Industriegebiet: Renault. Also ohne wirkliche Hoffnung aber mit dem richtigen Riecher schnell dorthin. Und schon von weitem zeigte sich noch ein Paradies: ein Autofriedhof voller R4. Nun begann wieder eine für den Urlaub im R4 typische Geschichte: der Inhaber sah sich unser Auto an, konnte kaum fassen, einen so schönen und wenig gelaufenen R4 (er hatte gerade die 70.000 km an dem Tag erreicht) zu sehen.
70.000

Ein Teil transplantiert -
der Zenith IF 28 Vergaser

Dankbare Quelle für
rares Plastik

Dann sah er die Aufkleber vom R4 Treffen, auf dem wir waren und holte sein Smartphone heraus: er zeigte uns Bilder eines Autos, dessen Besitzer auf ihrem Rückweg ein paar Tage zuvor mit einer Panne bei ihm waren. So bekam ich schnell die Lizenz zum Schlachten und als ich auch noch eigenes Werkzeug dabei hatte, war für alle der Tag perfekt. Nach kurzer Zeit hatte ich zwei passende Vergaser gefunden und noch ein paar andere Teile.



Schrauberglück







einer der vielen Sinpar Allrad F4 dort
einst ein typisches Bauernfahrzeug

Für kleines Geld aber mit umso schmutzigeren Händen wechselten sie in meinen Besitz und fröhlich fuhren wir vom Hof. Auf der Toilette des Amphitheaters von Grand gab es Wasser und Seife - die hatten schon etwas dumm gekuckt, als ich dort aufkreuzte und schnurstracks auf dem WC verschwand.


Unkraut vergeht nicht

Ich bekam über Facebook und Email noch ein paar Suchaufträge am nächsten Tag und so kreuzten wir zwei Tage später nochmals dort auf. Wir entfernten rare Kunststoffteile, zwei weitere Vergaser und Teile, die ich nie bei eBay oder anderen Webseiten für R4 Teile sah. Schrauberglück nennt man das wohl.
Renault Rodeo - Plastik statt Blech
Wir hatten diesmal auch Wasser und Reinigungsmittel dabei. Der Werkstattbesitzer schien vor allem darüber erfreut, dass ich im Original Formel-1 Crew-T-Shirt von Renault aufkreuzte. Wie einfach es sein kann, Herzen zu öffnen und Ziele zu erreichen.

Beute vom Schrottplatz

nicht Retro, sondern Vintage -
denn es ist wirklich alt und nicht nur so getan, als ob

Auf der Fahrt durch den Ort kamen wir am ehemaligen Standort der Renault-Werkstatt vorbei. Sie war komplett im 70er-Jahre-Design erhalten und es stand noch ein herrlicher alter Werkstattwagen auf dem Hof. Der Fotograf in mir kam durch und ich wendete und machte schnell ein paar Bilder. Ich fotografiere übrigens meist mit meiner Fuji X-Pro 1 - eine hervorragende Reisekamera mit bester Bildqualität. Meine mit dieser Kamera gemachten Fotos von Island sind auf einer Ausstellung gezeigt worden - das gelang mir in Jahren zuvor mit der "fetten Canon" nie. Aber an diesem Tag und wie so oft auf der Reise kam die kleine Canon zum Einsatz - ein Wunderwerk der Technik für die Hosentasche. Das in Snapseed auf Retro bearbeitete Foto war am gleichen Abend schon bei Flickr in Explore ausgewählt - mehr geht nicht. Weniger ist eben manchmal mehr.

Mein Urlaubsbild. So eins wollte ich machen. Genau so. Geht doch.

Aber zurück zum Ort des Geschehens. Die Tür des Hauses sprang auf, eine grimmige Dame fragte mich, was ich dort treiben würde. Dann fiel ihr Blick auf Marie, zurück zu mir (Stichwort Formel-1-Renault-Shirt) und ich berichtete schnell in meinem perlenden Französisch von der erfolgreichen Teilejagd. Sprachkurs auf der Suche nach Ersatzteilen. Wenn das mein damaliger Lehrer wüsste, er wäre zufrieden mit seiner Arbeit. Nun strahlend erzählte sie mir vom begeisterten Bericht des Sohnes, der ihr von meinem Auto tags zuvor vorgeschwärmt hatte. Gestik und Mimik waren ganz nah dran an einem der alten Louis de Funes Filme. Es sei ein bisschen wie damals, als alles noch in Betrieb, die Autos einfach und vor dem Haus noch die Tankstelle war, sagte sie, drehte sich um und ging in Erinnerungen in ihr Haus zurück. Frankreich im R4 ist toll. Das sind Erlebnisse, die nur wir haben, das Auto bringt Menschen zusammen, erzeugt Bilder und Gedanken im Kopf. Das macht unglaublich viel Spaß.

Joinville

Das Schloss in Joinville
heute würde man dazu
"coole Partylocation" sagen.
Gewohnt wurde da nicht, nur gefeiert.

Mit einer Kiste voller schmutziger Teile ging es zurück und der Vermieter fand uns schon recht skurril mit unserem Auto und Freizeitverhalten im Urlaub. Er sorgte erstmal für ordentliches Essen und schenkte uns eine Rehkeule aus seinem Jagdrevier. Ich bin mir sicher, meine Frau hatte zwei Dinge im Urlaub nicht vor: an alten Autos zu schrauben und einen Rehbraten zuzubereiten. Beides kann sie gut. Verrückte Sachen muss man machen, solange man kann. Wenn man nicht irgendwann damit anfängt, macht man es nie.


Le Grand Ballon

Joinville

So schloss sich der Spannungsbogen mit dem R4 - von der Panne bis zur Überversorgung mit Ersatzteilen, vom Start im Regen bis zu wochenlanger Hitze. Die Kinder fuhren im klimatisierten Camper mit einem Teil des Gepäcks nach Lörrach während meine Frau und ich die Fahrt über kleine Landstraßen genossen und in den Vogesen zum Höhepunkt der Reise kamen, auf der Route des Crêtes D431 ging es zum "Le Grand Ballon" auf 1325 m Höhe - eine tolle Panoramastraße.
in den Vogesen

Bestes Wetter, herrliche Temperaturen - schöner kann Oldtimerfahren nicht sein. Es ging dann steil in die schwül-heiße Rheinebene zurück. Dort erwartete uns ein Grillabend beim Renault-Händler Manske. So viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft sind überwältigend, wir fielen wie die Heuschrecken ein, die Kinder waren zu Dritt ja auch schon in Lauerstellung.

ab nach Altona

Der Vorteil eines Zugabteils mit vier Betten ist ja: es hat vier Betten. So konnte unsere Tochter kostenfrei mit uns nach Hamburg fahren und der Urlaub endete wieder in Hamburg-Altona.

Es ist war eine der Reisen, an die wir uns sicher lange und gern zurück erinnern werden. Ich hörte Kommentare wie: ach, das ist ja ein langweiliger Teil von Frankreich. Nun ja, es kommt immer auf die Sichtweise an. Wir haben nette Menschen, schöne Orte und vor allem viel Ruhe gefunden und Spaß gehabt. Und Marie gehört nun wirklich zur Familie. Meiner tollen Familie danke ich, dass sie diese Reise mitgemacht und mir ermöglicht hat. Denn viele Altmetallverliebte müssen solche Touren wohl meist allein unternehmen.


Nach der alten Regel: was du mit nimmst, wird nicht kaputt gehen, wird nun in der Werkzeugtasche bei weiteren Reisen auch ein Vergaser dabei sein. Denn ich habe einen der ausgebauten Vergaser an lauschigen Sommerabenden leicht benebelt von den Düften der Reinigungsmittel und mit Hilfe einiger aus dem Internet gefischter Ersatzteile in einen perfekten Zustand versetzt. Eingestellt und eingebaut - der defekte wurde geflickt und neu versiegelt - dank für die Mithilfe an das Vosswerk in Moorrege.  Eine weitere Werkstatt mit Herz, wo neben dem wertvollen Jaguar XK 150 auch gern ein schlichter R4 kuriert wird.

Marie auf der Hamburger Hallig in Nordfriesland

Der nächste, wenn auch leichte, Urlaubstest war gleich im Herbst, als wir mit Marie nochmal die Ruhe hinter
dem Deich suchten. Klaglos, wenn auch irgendwie dauernd nass, verrichtete der Wagen seinen Dienst. Nur beim Vergaser, "da muss ich nochmal bei", die Endgeschwindigkeit liegt noch zu dicht am Wert im Schein. Das geht besser. 140 war doch immer drin.

Der Wagen steht nun in der Garage und wartet auf den Frühling. Mal sehen, was uns als nächstes Reiseziel mit Marie einfällt.


Automuseum nahe Hólar, Nord-Island

Das mit Island im Teil 2 dieses Reiseberichtes war ja vielleicht ein kleiner Vorgeschmack... und der nördlichste R4, den ich bisher gefunden habe, muss ja im Grunde noch mal besucht werden. Auch wenn sein Zustand nur knapp oberhalb der französischen Teilespender war.

Es ist dort ja auch nicht ganz so warm im Sommer. Das ist doch schon mal ein Argument.

9. November 2013

Teil 5 - Unentdecktes Frankreich

Die heißen Sommertage an der Loire vergingen viel zu schnell.


See mit Tretboot

Ein R4 vor dem Haus ist
auch in Frankreich selten geworden

Viele fragten uns, ob so ein Auto ohne Klimaanlage nicht viel zu anstrengend sei im Sommer. Es ist sicher eine Frage der eigenen Ansprüche. Wir sind bequem geworden - aber um wirklich einmal Sommer zu spüren, die Geräusche zu hören, gehören heiße Tage dazu. Das geht in unseren leisen, schnellen Autos von heute oft verloren. Einige Fahrten in der Mittagshitze waren wirklich anstrengend - aber der R4 ist ja gut belüftet. Die Hitze war zudem trocken - im Grunde ist es im Auto besser gewesen als draußen in einem Schlosspark. Und gibt es etwas schöneres, als warmen Wind auf der Haut und die Freude über ein kühles Getränk im Schatten nach einer Fahrt in der Sonnenglut?

Sonnenuntergang
vor dem Haus

Marie vor dem Schloss
Sully-sur-Loire

Ich löse dann auch noch das Rätsel um den Transport der Familie und des Gepäcks. Wir waren ja inzwischen vier Personen, wir hatten sechs Reisetaschen, noch kleinere Gepäckstücke dabei und nun mit dabei war zudem ein großer Koffer voller warmer Kleidung, den unsere Tochter von Island mitbrachte. Alles zusammen keine gute Idee für eine 350 km lange Fahrt im R4. Wir haben uns also aufgeteilt - denn das Bahnfahren in Frankreich ist kein Problem. Frau und Tochter fuhren über Paris mit dem klimatisierten Zug, mein Sohn und ich im R4 mit dem Gepäck. Ankunft für alle in etwas zur gleichen Zeit. So der Plan. Das Wettrennen haben wir im Auto unterstützt durch eine nagelneue Autobahn gewonnen - die Bahnfahrt sollte zur Odyssee werden. Eine angenehme Erfahrung waren dabei gut informierte Bahnmitarbeiter, eine ganz neue Erfahrung für uns. Leider gab es am Tag zuvor ein schweres Zugunglück vor Paris - so wurde die Bahnfahrt zu einer langwierigen Angelegenheit.




Sully-sur-Loire

Alte Halle vor der Kirche










Der R4 war mittlerweile bis unter das Dach vollgestopft, denn wir hatten nun ja auch noch Wochenendeinkäufe für fünf Personen dabei. Denn am Urlaubsziel traf ein Schulfreund unserer Tochter ein, die beiden hatten sich verabredet, um dann eine Woche im Camper zu verbringen und auf eigene Faust Paris und Normandie zu erkunden.

unser Ferienhaus - ein Traum

tolle Farben








ein Paradies für Gartenfreunde








Etwas müde erreichten wir unser letztes Ferienhaus der Reise. Ich bin selten sprachlos - aber das Wort paradiesisch war an diesem Ziel angemessen. Ein hervorragend ausgestattetes und liebevoll eingerichtetes Ferienhaus in einem separater Gebäudeteil einer alten Wassermühle erwartete uns. Es war umgeben von einem Garten für uns am kalten Mühlbach mit Forellen. Zum Haus selber gehörte ein zwei Hektar großer privater Garten, den die freundlichen und entspannten Besitzer im Laufe der Jahre in ein Ensemble verschiedener Gartenstile auf einem parkartigen Grundstück verwandelt haben. Ein friedlicher, ruhiger und stiller Ort voller Schönheit und Ideen. Die Gartencenter freuten sich bereits auf uns nach unserer Rückkehr.



an unserem Frühstücksplatz


viele schöne Ecken
Der Garten wird von einigen Tausend Gästen im Sommer besucht, was uns aber nicht störte. Wir hatten einen privaten Gartenteil, in dem immer Sonne oder Schatten zu finden war, nur für uns und konnten zudem den gesamten Garten nutzen, auch wenn er für Besucher geschlossen war. Die Tage waren weiter heiß und sonnig und so bleiben vor allem die Nachmittage im Halbschatten mit den Füßen im eiskalten Bach in Erinnerung. Viel gelesen haben wir dort. Für einen Urlaub mit kleinem Auto und kleinem Gepäck ist ein eBook-Reader (wir haben uns für den Kindle Paperwhite entschieden) übrigens eine tolle Sache.





Feuerwerk zum Nationalfeiertag

Die Gegend  um Joinville ist von weiten, leicht hügeligen Getreidefeldern (irgendwo muss das Baguette ja seinen Ursprung haben) geprägt, durchzogen von Tälern, Wäldern und Flüssen oder Kanälen. Wieder ein sehr ursprüngliches Frankreich. Sogar einen R4 gab es im Ort. Nach der Dichte von Kultur an der Loire war es ein erheblicher Kontrast.
Der Mond und der beleuchtete Garten

Wegen der Wärme verzichteten wir auf lange Ausflüge und genossen den wundervollen Garten, das Feuerwerk zum Nationalfeiertag oder aber das schnelle WLAN. Jeder wie er mag, es ist ja Urlaub. Nur die ab und an auftauchenden Tiefflieger störten das Idyll für kurze Zeit. Kurz ärgerte ich mich darüber, beschloss dann aber, dass das nun wirklich Leiden auf höchstem Niveau war.

Hier einige Fotos aus dem Gartenparadies, das wir eine Woche lang wie unseren Garten nutzen durften - eine sehr erholsame und schöne Zeit. 



















Das Mosaik von Grand

Einen Ausflug zu Spuren der Römer (ja, die gab es dort, Asterix Hefte sind nicht nur der Phantasie entsprungen) sollten wir aber noch unternehmen: zum Gallo-römischen Heiligtum von Grand. Und der wurde zu einem Glücksfall für einen R4 Besitzer. Denn weiterhin nutzte ich jede Gelegenheit, einen Carburateur pour ma Quatrelle (=Vergaser für meinen R4) zu suchen. Spontan wie meist kam uns die Idee, nochmal nach dem späten Frühstück eine kleine Tour zu unternehmen. Ein Mosaik aus der Römerzeit wollte besichtigt werden. Das war auch eindrucksvoll - und das Kombiticket mit dem Amphitheater um die Ecke war günstig. Dumm nur, dass auf dem sehr kurzen Weg zwischen den beiden Orten das typische Frankreich-Phänomen zuschlug: Mittagspause.
zurückhaltend norddeutsch
würde man sagen: Hä?

Wie überall im Land schließt man Mittags zu, macht Pause. Wir hatten mal wieder an nichts gedacht und bekamen Durst. Das nächste Städtchen Neufchâteau war nur 30 km entfernt - also schnell dorthin und lustiges Mineralwasser gekauft. Der Ortsname aus dem Elsass ist für einen Norddeutschen schon komisch. Wir sollten später dort vorbei kommen auf dem Weg nach Lörrach zum Autozug.

Das Amphitheater von Grand

Wie der Tag sich zu einem der schönsten der Reise als Oldtimerfahrer entwickelte, berichte ich im letzten Teil des Reiseberichtes.