29. September 2013

Teil 2 - Probleme mit dem Vergaser


Die Woche im Morvan verging viel zu schnell. Nach ersten Einkäufen in Autun (mein Gott, sind deutsche Supermärkte langweilig!) sind wir im vollgepackten R4 zum Ferienhaus gefahren. Am nächsten Tag wurde die Gegend erkundet. Diese Ecke von Burgund ist nicht von Weinbau geprägt - dafür um so ruhiger und ursprünglicher. Wir fuhren also bei bestem Wetter wieder nach Autun, um die Gegend kennen zu lernen. Der Ausflug sollte spannender werden, als wir dachten.

Kathedrale von Autun

Marie wurde die ersten steileren Straßen gefahren - und es war warm. Zu warm, wie sich zeigen sollte, denn als wir an der Kathedrale den schattigen Parkplatz unter den Linden wieder verlassen wollten, wurde sie zickig. So richtig. Kein Leerlauf mehr. Sobald die Kupplung getreten wurde, ging sie aus. Die Ursache war schnell gefunden: eine Plombe am Vergaser hatte sich verbschiedet. So zog der Vergaser Luft, wo er nicht sollte und bedankte sich mit tropfendem Benzin. Erstmal auf den Einlasskrümmer. Darunter der vom Auspuff. Eine heiße Angelegenheit.

Der Renault Händler hatte natürlich schon zu, die Verkäufer starteten ihr abendliches Aerobic-Programm im Schulterzucken. Also erstmal zum Baumarkt, dort improvisiert mit Plastikkappen und den BongoTies aus der Fototasche. Die sollte jeder dabei haben. Wirklich. Die können was.

Die Plombe über der
Gemisch-Schraube fehlt

Trotzdem hustete der Wagen und Plastik am heißen Vergaser ist ja nun auch nicht das Wahre. Dank des schnellen WLANs im Ferienhaus wurde schnell klar: das ist eine Sollbruchstelle am Zenith 28 IF Vergaser des 1100er Motors. Über den R4 Fanclub und Facebook wurde recherchiert und um Hilfe gerufen. Internet ist toll ! - die Optionen zur Reparatur waren klar: das Loch muss dicht. Am besten mit einem Blech aus Messing, Alu oder Edelstahl in 10 mm und da drauf ordentlich Alu-Kleber. Doch woher nehmen?

Blick auf Autun

Ich rief den ADAC an. Wollte eigentlich eine Werkstatt in der Nähe wissen. Was folgte, war der übliche Helpdesk-Callcenter-Irrsinn. "Reisen Sie mit Kindern?" "Haben Sie einen Wohnwagen?" "Was haben Sie für ein Modell?" "Wo genau sind Sie?" "Was ist ihr Problem" ... schön erstmal die Checkliste abarbeiten. Wie
gut, dass das Telefonieren mit dem Handy preiswert geworden ist. Eine echte Geduldsprobe. Aber das kenne ich ja gut. "Wie schaffst du es nur, so ruhig zu bleiben?" - "Ich bin Profi, Schatz." - Mir wurde dann der Renault Händler in 40 km Entfernung empfohlen. Warum nur? Es gab doch sogar einen nur 20 km entfernt. Und wer Renault kennt weiß: zu alten Autos haben die ein gestörtes Verhältnis. Wie sich später zeigte, in Frankreich noch mehr als bei uns. Aber in Frankreich gibt es auch diese kleinen Werkstätten auf dem Dorf. Die sind toll. Vor allem, wenn noch alte Autos hinter dem Haus stehen. Aber das wird eine andere Geschichte zum Urlaubsende sein.

Die Stimmung sank, schließlich hatten wir den Urlaub noch vor uns. Spät abends die Lösung: eine SMS aus Hamburg vom Vermieter: die Werkstatt in Anost ein paar Kilometer weiter würde sowas bestimmt hinbekommen. Der Mechaniker würde informiert.

Am nächsten Morgen dann also mit hustendem Auto und Vollgas beim Kuppeln dorthin. Nun mein großer Auftritt: 29 Jahre habe ich kein Wort Französisch gesprochen. Damals allerdings konnte ich es recht fließend. Erstaunlich, was da im Hirn so durch Stoffwechselprozesse abgelegt wird. Das schafft kein Google-Datenspeicher. Was half, war sicherlich die Lektüre des 4L Magazins und der Besuch der Webseiten zum R4. Also schnell von Passiv- auf Aktiv-Mode umgeschaltet. "J'ai un problème avec le carburateur de ma Quatrelle." - Ein erstes Grinsen. Er war ja vorgewarnt. Ich erzählte von Messingplombe, sie müsse abgedichtet werden. Ich verstand ihn kaum, Monsieur Rateau jedoch blieb cool. Er schüttelte den Kopf und ging. Wortlos. So stand ich nun dort und schaute mich um. Eine dunkle Werkstatt, die allen Klischees gerecht wird. Nistende Vögel fliegen durch das Dach, es regnet rein, eine kleine Bude an der Seite als Büro. Vor dem Haus zwei Zapfsäulen, von denen eine durch beherzte Tritte erstmal zum pumpen gebracht werden muss. Schön, das solche Orte trotz EU-Verordnungen weiter existieren. Und es war das Haus der offenen Tür. Ein schöner R4 fällt auf. Auch in Frankreich. Denn da sind die meisten ziemlich herunter geritten.

im Morvan unterwegs

Dann der große Auftritt: im Magazin der gebrauchten Teile wurden zwei Vergaser gefunden. Der eine mit dem gleichen Problem, der andere am Oberteil kaputt. Aufgabenstellung also: aus zwei mach eins. Auch wenn die Typen-Bezeichnungen nicht ganz dem bisherigen Vergaser entsprachen. Ich spendierte noch Dichtung, Schwimmernadelventil und Schwimmer, die ich mal aufgetrieben hatte als Originalteile von Renault. Mit Kaltreiniger, Finger, Schraubenzieher, Lappen und Druckluft wurde dann alles erstmal zerlegt, gereinigt, und wieder komplettiert. Der Einbau sind ja nur ein paar Schrauben, Motor springt an, Justierung von Hand, Probefahrt den Berg hoch ("praktisch, wenn was kaputt geht, kann ich zur Werkstatt rollen"). Begleitet wurde dies mit einem Schwall von freundlichen Worten der Besucher, zumeist älterer Herren, die mich in die Geheimnisse französischer Innenpolitik einweisen und über die Vorzüge des R4 "La Quatrelle" aufklärten. Zeit zum Leben, kommunizieren, Real Life 1.0. Schnell bezahlen, strahlen, danken, winken und zurück zu Frau und Kind. Der Urlaub war gerettet. Die Bewertung der kleinen Werkstatt stimmt. Merci beaucoup, Monsieur Rateau. Ich schicke ihm noch eine Postkarte von ihm und Marie. Keine Email.

Was für ein schöner Tag. Nette Menschen, ein Mechaniker, der etwas kann - mehr Glück geht nicht in der Situation. Man muss etwas verrückt sein, um im Oldtimer durch ein anderes Land zu reisen. Aber wenn man es ist, kann man anfangen, Geschichten zu erzählen, die andere verpassen. Ich glaube, das nennt man "Leben".

Das Wetter war leider weiter eher schlecht. Eine ausgiebige Probefahrt wurde auf den Nachmittag verschoben. Wohin nur? Da unsere Tochter in Island war, ich immer im R4 nach Island wollte, war das Ziel schnell klar: auf nach Island.

Island ist ein Weiler in grober Richtung Dijon - also schnell dorthin um ein Foto zu machen. Beim bergab fahren zeigten sich erste Probleme - Kängurubenzin. Der Wagen stotterte, ein Indiz für zu viel Sprit im Motor. Egal, er lief, irgendwie, justieren kann man ja noch mal. Doch dann kurz nach dem Fotostopp: der Wagen stand. Mitten in Island. Keinen Mucks mehr. Der Anlasser dreht, das war es dann auch. Nein. Da war noch dieses zischende Geräusch: kochender Sprit tropft auf den Krümmer. Und dieser leichte Benzingeruch. Mein Sohn griff geistesgegenwärtig den Feuerlöscher, ich den Schraubenzieher. Schnell den Luftfilter abgeschraubt und das Elend betrachtet: Vergaser und Krümmer waren voller Sprit und somit klassisch abgesoffen. Also erstmal warten und hoffen, dass er irgendwann wieder anspringt.

Ob ich eines Tages in das "echte" Island fahre im Renault 4?

Weil ja nicht klar war, ob wir weg kommen würden: ADAC Teil 2. Dieselbe Studentin am Telefon wie am tag zuvor. Ihr Deutsch war zwar niedlich, aber ihre Kompetenz eben auf das Abarbeiten des Fragebogens am Bildschirm ausgerichtet. Ich glaube, sie wusste nicht, was ein R4 ist und fand ohnehin sehr suspekt, dass ich aus Island in Saint-Martin-de-la-Mer weit entfernt von jeder Küste anrief. Nächster Versuch: ADAC in Deutschland anrufen. Das klappte super. Kompetent, zielorientiert, keine unnötigen Fragen. Das Problem war erfasst, der Standort gemeldet, schnell noch die Rückfrage nach der Gemeinde, eine Korrektur, denn denselben Ort gab es irgendwo anders im Land nochmal. GPS Daten ausgetauscht, "Sie hören vom ADAC in Frankreich, wenn der Abschlepper losfährt." Ich war beeindruckt. Der ADAC meldete sich, alles schien zu laufen. Dann rief der Abschleppwagen an. Wo ich denn sei, er wäre alles abgefahren. Oh. Der war dann doch in den anderen Ort gesendet worden. Ich hatte dann immerhin einen anderen Kollegen in Paris im ADAC Callcenter erreicht, der schickte dann wieder einen Wagen, der dann auch "prompt" kam. Hat nur drei Stunden gedauert. Aber im Grunde mit Geduld eine tolle Sache. Der Spaß hat nicht mal etwas gekostet.

Morgen am Ferienhaus

Hinter den Gardinen wurde immer mal gekuckt, aber niemand kam und fragte. Wasser hätten wir genommen, Sommer und Durst sind ja verbunden. Der Pannenhelfer kam, wir diskutierten die Lage, er war offenkundig ein Mann der Tat, der wusste, wo das Problem lag. Da der Sprit inzwischen verdampft war, sprang der Motor auch an, holprig, aber er lief. Wir beobachteten das Ganze und vereinbarten, dass ich die Fahrt zum Ferienhaus versuchen sollte. Mit den ersten Blitzen des aufziehenden Gewitters ging es dann in einem Sturm und mit Vollgas, damit der Sprit schön verbrannt wird die 30 km zum Haus zurück. Irgendwie war es sehr schön, wieder dort zu sein.

Merci beaucoup, M. Rateau

Nun war wieder das WLAN dran. Schnell war klar: die Modelltypen des Vergasers unterscheiden sich etwas. Weniger im unteren Teil, mehr im oberen, wo der Sprit gemischt und angesogen wird. Marie hatte nun ein Oberteil eines F6. Mag sein, dass das störte. Aber schlimmer: die Maße des Original Schwimmernadelventils wichen minimal ab. Darum flutete der Schwimmer munter den Vergaser mit Sprit im Leerlauf. Das war ja nun eine einfache Übung: wieder nach Anost zur Werkstatt, schnell mein altes Oberteil drauf gesetzt, das sind ja nur wenige Schrauben. Danach war das Grinsen in meinem Gesicht noch breiter als am Tag zuvor. Und die Reparatur hielt für weitere 2500 störungsfreie Kilometer. Ein paar Tage drauf erreichten mich dann noch Messingdichtungen, sowohl aus originalen Teilen über das R4 Forum als auch nachgefertigt von den Bekannten der Minifahrer von Classic Car Bremen. Danke euch allen. Und an meine Familie, die verrückt genug sind, mit mir so etwas mit zu machen.


Das Schloss "um die Ecke"

Die Probefahrt verlief problemlos, der aufgesuchte Schrottplatz hatte aber keinen Ersatzvergaser, nur die von Solex. Offenbar war dort in der Gegend der 34 PS Motor im GTL wenig verbreitet.

Die folgenden Tage im Morvan waren Sommer pur. Leckeres Essen, Ruhe, die Landschaft, Wälder, Tiere - viel zu schade das wunderschöne Haus so schnell zu verlassen. Die Straßen des Morvan sind ideal für den R4 und als dann auch noch kilometerlang ein 60er Jahre 2CV vor uns fuhr, war es fast wie eine Zeitreise. Aber wir wollten ja zum R4 Treffen an der Loire. Davon erzähle ich im nächsten Teil.

Es genügt wenig, um zufrieden zu sein.

Hier noch ein paar Links für R4 Fahrer zum Thema :








26. September 2013

Teil 1 - Anreise nach Burgund

Verrückte Dinge muss man tun, wenn man kann. Ein Familienurlaub im alten Kleinwagen zählen viele dazu, wie wir erfahren haben. Hier in loser Folge ein Reisebericht. Diesmal nicht mit dem Ziel toller Fotos, sondern einfach Eindrücke sammeln und das Land (er-)leben. Wer Fotos kucken will: www.ISLANDphoto.de - die Bilder überwiegend aus dem letzten Jahr waren zu Gast in London auf der Ansel Adams als "inspired by" digital zu sehen. Island und R4 .. ich komme drauf zurück. Versprochen. Schon bald. Und ich nutze meinen R4 ja auch als kleinstes rollendes Fotostudio http://www.lichtfuehler.de/vintagestyle So, nun aber auf nach Frankreich.

Sommer 2013 - das Ziel lag vor uns: das R4 Treffen "4L International" in Thenay an der Loire. Rund eintausend R4 sollten kommen. Beim 50-jährigen Jubiläum 2011 passte es nicht - also dieses Jahr zwei- bis dreitausend km im R4 zu dritt durch Frankreich. Wie ein älterer englischer Herr auf dem R4 Treffen so richtig sagte: "Ich wäre heute nicht hier, wenn ich in jüngeren Jahren nicht mit dem Unfug begonnen hätte." So ist es.

Autoverladung mitten durch
den Bahnhof Altona

Zunächst ging es "bequem" mit dem Autozug von Hamburg-Altona
nach Lörrach. Teuer, was die Bahn da anbietet. Laut, Lüftung nicht zu regulieren, harte Betten, es regnet rein. Die Doppelstock-Wagen waren gar nicht alt. Wie gut, dass sonst für uns gilt: der Weg ist das Ziel und der R4 uns durchs Land an unbekannte Orte bringt. Aber in diesem Fall bei der weiten Reise mussten 900 km Autobahn mit drängelnden Audi-Ringen im Rückspiegel nicht sein. Marie sollte es mal gut haben.

30.4.2007 - Übergabe des R4

In strömendem Regen ging es vom Zug. Eine Stunde warten - ohne Unterstand, während die eher wenig freundlichen Leute den Zug rangierten. Dann folgte aber umgehend das erste Highlight unserer Reise: der Besuch beim Verkäufer, bei dem im April 2007 das Abenteuer R4 begann. Ein sehr herzliches Wiedersehen im Renault Autohaus Manske in Eimeldingen.
Gestärkt geht es weiter.


Es erwartete uns ein leckeres Büffet und die herzliche Aufnahme. Schon war das Wetter vergessen und wir etwas übernächtigt aber gut gestärkt für die Weiterfahrt. Einfach toll, vielen Dank: ein Autohaus, Werkstatt und Tankstelle mit Herz! Wir erhielten noch die Einladung zum Grillen, bevor es drei Wochen später wieder auf den Zug zurück gehen sollte. Natürlich kamen wir wieder. Und das gleich zu fünft.

Vor der Kathedrale in Autun -
das erste Frankreichfoto mit R4

Es folgten ein paar hundert Kilometer im Regen auf der leeren französischen Autobahn bis Beaune und weiter nach Autun, einer Kleinstadt am Eingang zum Morvan, einem Mittelgebirge mit weiten Wäldern und einer park-ähnlichen Landschaft. Das Ferienhaus ist ein echter Tipp. Uns erwartete eine Woche voller Ruhe, Natur, gutem Essen, schnellem WLAN, schönen Ausflügen, Schrottplatzbesuchen und viel Glück.
 Gîte de Thivelle in Cussy en Morvan

Wir fanden ein teils einsames, ursprüngliches Stück Frankreich mit schmalen, wenig befahrenen Straßen. Die Menschen eher zurückhaltend - aber hilfsbereit, wie sich später zeigen sollte. Es waren Tage voller Ruhe in der friedlichen Umgebung des einmalig schönen Ferienhauses. Wir können uns nur bedanken für die schöne Zeit dort.
Einhorn hinter dem Haus


Sogar ein Einhorn konnten wir vom Fenster aus sehen. Und einen Wanderer mit Esel und Hund, der direkt einem Asterix-Band entsprungen sein könnte, sind wir auch begegnet. Warum der Nachbarort Anost dann zum Mittelpunkt der Woche, verrate ich im zweiten Teil.

Glück ist ein Parfüm, das du nicht auf andere sprühen kannst, ohne selbst ein paar Tropfen abzubekommen.
- Ralph Waldo Emerson